Lutz wartete. Er stand hinter einem Baum am Werdersee und behielt den Weg im Auge. Jeden Moment musste sie kommen. Sie war so süß, gerade mal dreizehn.

Seit Wochen hatte er sie beobachtet, wann immer er eine Gelegenheit dazu hatte. Sie war ganz anders, als die anderen Mädchen in ihrem Alter, viel reifer, erwachsener. Wenn sie mit ihren Freundinnen auf dem Schulhof zusammen stand, wenn sie in ihrem Zimmer herumtanzte, wenn sie mit wehendem Pferdeschwanz auf dem Fahrrad zur Schule eilte. Wie immer zu spät, genau wie heute. Wo blieb sie nur?

Morgen begannen die Sommerferien, und dann würde er sich sechs Wochen gedulden müssen, bis er eine neue Chance bekam.

Er tastete in der Tasche seiner Jeansjacke herum. Ja, es war noch da, glatt und kühl lag es in seiner Hand, ein gutes Gefühl. Wenn sie es sah, würde sie alles für ihn tun, das wusste er. Dann würde sie ihm gehören, und niemand würde mehr über ihn lachen. Endlich würden sie ihn ernst nehmen, sie und ihre Freundinnen.

Hoffentlich war ihr nichts passiert. Heute war sie wirklich spät dran, manchmal war es doch gut, dass sich niemand für ihn interessierte, es würde gar nicht auffallen, wenn er nicht pünktlich kam. Er sah sich um, weit und breit kein Mensch. In der Ferne sah er die Flutlichtanlage des Weserstadions. Ob sie am Nachmittag wohl wieder im Stadionbad sein würde? Der Tag versprach heiß zu werden.

Nur einen Moment hatte er den Weg aus den Augen gelassen, nun sah er, wie sich jemand näherte, doch die Person war zu Fuß. Schon wollte er sich enttäuscht abwenden, als er sie erkannte. Sie schob ihr Rad neben sich her. Ein Plattfuß?

Langsam kam sie heran. Er konnte sehen, wie ihre Brüste unter dem Oberteil wippten. Offenbar murmelte sie etwas vor sich hin, ihre Lippen bewegten sich. Sie sah zum Anbeißen aus, in ihren Shorts und dem ärmellosen T-Shirt. Er begehrte sie, mehr als er je zuvor etwas begehrt hatte.

Jetzt war sie an ihm vorbei. Endlich erwachte er aus seiner Erstarrung. Die Büsche am Wegesrand standen hier dicht. Vorsichtig ging er ihr nach. Er musste nur noch den richtigen Moment abpassen.

Ein trockener Ast knackte unter seinem Fuß und er stieß einen leisen Fluch aus. Ob sie ihn gehört hatte? Sie blieb stehen und sah sich um. Ihr Gesichtsausdruck war nicht ängstlich, eher überrascht. Was sollte er nun tun?

"Ist da jemand?"

Er hielt den Atem an.

"Man, ich finde das nicht witzig, komm raus und sag endlich, was du von mir willst."

Sie starrte genau auf die Büsche, hinter denen er sich verbarg.

"Glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, dass du dich schon seit Wochen jeden Morgen hier versteckst?"

Alles war aus. Sie hatte ihn zum Narren gehalten, hatte es längst gewusst.

"Komm schon, ich beiße nicht. Also, wenn du mich echt anmachen willst, kannst du mir meine Kette wieder anbringen, damit ich endlich weiterfahren kann."

Mit rotem Kopf kämpfte er sich aus den Büschen heraus und ging mit hängenden Schultern auf sie zu. Sie grinste.

"Jetzt kommen wir wieder beide zu spät. Der Möller wird ganz schön toben."

Er fummelte an der Fahrradkette herum, um seine Verlegenheit zu verbergen.

"Bist du stumm? Was willst du eigentlich von mir?"

Alles schien wieder in Ordnung zu sein. Er griff in die Jackentasche.

"Das hast du neulich im Schwimmbad liegen lassen."

"Mensch, mein Handy, und ich dachte schon, das muss ich jetzt ersetzen. Meine Mutter hat schön getobt, weil ich es verloren hatte!"

Verlegen sah er auf seine Hände, die von der Kettenschmiere schwarz waren.

"Du bist echt klasse!"

Sie schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr los.

"Bis gleich dann, ich sag dem Möller, dass du ein bisschen später kommst."

Er nickte, sagen konnte er nichts, denn er hatte einen Kloß im Hals. Es war gar nicht so einfach, wenn man gerade erst dreizehn war und sich zum ersten Mal verliebt hatte. Sie verschwand hinter der nächsten Ecke, und endlich fand er seine Stimme wieder.

"Willst du mit mir gehen?", rief er ihr noch nach, aber anscheinend war sie schon zu weit weg, denn es kam keine Antwort.


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