"Also Schatz, du bist bestimmt schon ganz gespannt, warum ich dich heute Abend eingeladen habe."

Sylvia strahlte Manfred an. Endlich war der Moment gekommen, auf den sie so lange gewartet hatte.

"Ich habe eine wundervolle Überraschung für dich. Weißt du, ich kenne doch deine geheimsten Wünsche."

Manfred griff in die Tasche seines Sakkos, doch dann ließ er die Hand wieder sinken und legte sie sanft auf die ihre. Sylvia wurde heiß.

"Du hast es sicher nicht leicht mit mir gehabt in den letzten siebenundzwanzig Jahren. Immer nur die Geliebte sein, mit niemandem über deine Gefühle reden zu können. Du warst so stark, meine Süße."

"Haben Sie schon gewählt?" Der Kellner trat an den Tisch. Sylvia hätte ihn ohrfeigen mögen. Konnte er nicht sehen, dass er störte, dass Manfred kurz vor der entscheidenden Frage stand? Manfred schlug die Karte auf.

"Was meinst du Liebling? Ich hätte Lust auf ein großes Steak, blutig, mit Pommes Frites und dazu eine Flasche vom Hauswein."

"Wo war ich stehen geblieben?" Wieder wanderte Manfreds Hand in die Sakkotasche und diesmal zog er ein kleines, schwarzes Kästchen hervor. Sylvias Herz begann zu heftig zu schlagen.

"Jetzt ist Ingrid seit einem halben Jahr tot und du hast so großartig still gehalten. Du bist immer so verständnisvoll."

Gedankenverloren sah er einen Moment auf das Kästchen, dann steckte er es lächelnd in seine Hemdtasche, sodass Sylvia noch eine kleine Ecke hervorschauen sah.

"Es ist wirklich Zeit, dass ich mich mal bei dir bedanke. Weißt du, ohne dich hätte ich all die Jahre nicht durchgestanden. Ingrids Krankheit, die Probleme in der Firma - allein hätte ich das nie geschafft."

Manfred griff unter den Tisch und zog seinen Aktenkoffer auf den Schoß. Er öffnete ihn und begann mit verheißungsvollem Lächeln darin zu kramen. Sylvia rutschte auf ihrem Stuhl hin und her.

"Gnädige Frau…" Der Kellner füllte ihre Gläser und legte beiden ein Steakmesser hin.

"Ich weiß doch mein Engel, dass du dir immer eine Kreuzfahrt gewünscht hast. Ich glaube, ich habe genau das Richtige gefunden." Mit diesen Worten legte er einen dicken Umschlag vor sie auf den Tisch.

Den Blick weiter auf die kleine schwarze Ecke auf dem blütenweißen Hemd gerichtet öffnete Sylvia langsam das Couvert. Manfred lächelte immer noch. Endlich sah sie auf das Papier in ihren Händen - "Singles Deluxe - die Kreuzfahrt für einsame Herzen". Sylvia erstarrte.

"Ja sieh mal, ich finde, du hast jetzt wirklich lange genug gearbeitet. Natürlich werde ich dir lebenslang eine gute Rente zahlen, du hast ja so viel für mich getan, da können jetzt wirklich mal die Jüngeren ran."

Ein eiskalter Schauer lief Sylvia den Rücken hinunter. Ihr Blick wanderte wie hypnotisiert über Manfreds Gedeck - der Rotwein, das Messer, die Gabel, der Rotwein, das Messer, die Gabel.

"Freust du dich, mein Liebling? Es wäre so schön, wenn du mein Glück mit mir teilen könntest. Ach, sieh mal, wer da kommt!"

Manfred sprang auf. Ein aufdringlich süßes Parfüm stieg in Sylvias Nase. Ohne sich umzudrehen wusste sie, wer hinter ihr eingetroffen war. Ute, die Neue in der Buchhaltung. Dreißig Jahre jünger als sie und zu dumm, um ohne Rechenmaschine zwei und zwei zusammenzuzählen. Manfred rückte ihr den Stuhl zurecht und strich ihr über das lange, rote Haar.

"Sylvilein, du hast die wichtigsten Momente meines bisherigen Lebens miterlebt, du sollst auch jetzt dabeisein." Er zog das schwarze Kästchen aus der Hemdtasche und öffnete es. Die beiden Frauen starrten gebannt auf den Ring. Lächelnd griff Manfred nach Utes Hand.

"Ihr Steak, meine Herrschaften."

Mit einem Schrei riss Sylvia ihr Messer an sich und stürmte voran.

 

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