Elfriede Haase stand vor dem Spiegel in dem kleinen Pensionszimmer, das sie sich genommen hatte. Sechs Wochen waren vergangen, seit ihre Familie sie verstoßen hatte, nachdem sie ihrer Großmutter entwischt war und sich, wie es hieß, hatte verunstalten lassen.


Die wenigen Schmuckstücke, die sie hatte mitnehmen können, waren längst verkauft und in Profitipps, eine Knarre und die üblichen Lebenshaltungskosten investiert worden. Für die letzten Groschen hatte sie einen breitkrempigen Hut mit einem dichten Schleier erstanden. Wenigstens einer der Tipps ihrer Großmutter hatte sich als nützlich erwiesen, auch wenn sie die Kopfbedeckung sie weniger vor der Sonne schützen sollte, als davor, erkannt zu werden.


Verärgert betrachtete Elfriede ihre Haare. Von der Pracht des Frisurenwettbewerbs war nicht mehr viel übrig. Hoffentlich reichte die heutige Beute für einen neuen Schnitt. Aber das würde ja ohnehin niemand sehen.


Ihr Blick wanderte hinunter an ihrem sonst schlanken Körper. Zufrieden stellte sie fest, dass die Sofakissen ihrer Vermieterin ganze Arbeit leisteten. Wenn sie erst einmal den Hut auf hatte, würde niemand mehr vermuten, dass sich hinter der Maske des pummeligen, unförmigen Kerls in Wirklichkeit ein junges Mädchen verbarg.


Die Hosen und den Mantel hatte sie einem ihrer Tippgeber abgekauft. Ebenso die altersschwachen, abgetragenen Schuhe. Wenn die Mädchen in ihrem Pensionat sie jetzt so sehen könnten. In ihrer Freizeit hatten sie sich für nichts als ihr Aussehen und ihre Kleider interessiert. Elfriede fühlte sich in ihrer Verkleidung besser angezogen, als je zuvor in ihrem Leben.


Zufrieden tastete sie nach dem Revolver in der Manteltasche, setzte schwungvoll ihren Hut  auf und steckt ihn fest, damit er nicht verrutschen konnte. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz.