"Noch mal! Noch mal!"

Die Schaulustigen drängten sich tuschelnd und lachend um das Karussell. Der Anblick war aber auch zu ungewöhnlich. Ein kleines Männchen mit hochrotem Kopf kletterte die drei Stufen zum Kassenhäuschen empor und drückte dem Kassierer ein paar Groschen in die Hand. Die Musik setzte ein und die Pferdchen auf dem Podest begannen sich wieder im Kreis zu drehen. Sofort erscholl lautes Jubeln. Die Menge begann sich zu zerstreuen und andere rückten nach, die sehen wollten, was da einen solchen Menschenauflauf verursacht hatte.

So ging es Runde um Runde. Die Dame mittleren Alters konnte einfach nicht genug bekommen. In ihrem roten Festkleid bestieg sie nacheinander alle Reittiere und schien nicht aufgeben zu wollen, bevor sie nicht jedes einzelne ausprobiert hatte. Die Kinder des kleinen Ortes waren längst mit ihren Eltern nach Hause gegangen. Die vornehmen Herren hatten - je nach Umfang ihres Geldbeutels und dem Temperament ihrer Ehefrauen - entweder das Festzelt mit dem Bierausschank oder das heimatliche Wohnzimmer aufgesucht. Der Karussellbetreiber hätte gerne Feierabend gemacht, denn für einen einzigen Fahrgast lohnte sich der Betrieb kaum noch. Aber wann immer das Karussell stoppte, schrie die Frau "Noch mal, noch mal!" Und wieder und wieder zückte das Männchen seine Groschen und das bunte Treiben begann von vorne.

Endlich erloschen die Lichter auf dem Festplatz und die letzten Besucher, vom Biere trunken, taumelten ihren Betten entgegen. Ein Wachtmeister erschien um zu überprüfen, ob die Sperrstunde auch eingehalten würde. Er wunderte sich nicht wenig, als er direkt neben dem Denkmal des Kaisers immer noch lustiges Treiben antraf.

"Es ist Sperrstunde. Machen Sie, dass Sie nach Hause kommen."

Der Karussellbetreiber atmete auf. Er legte den Hebel um und quietschend kam sein Gefährt endgültig zum Stehen.

"Noch mal! Noch mal!" schrie die Dame mittleren Alters. Das Männchen sah unglücklich zu Boden.

"Sperrstunde ist!" Brüllte der Wachtmeister. "Machen Sie, dass Sie nach Hause kommen."

Schließlich musste auch die Dame einsehen, dass das Vergnügen nun ein Ende hatte. Seufzend kletterte sie vom schönsten aller Karusselpferde, von dem sie sich seit nunmehr zehn Runden nicht hatte trennen können. Ihre Beine wackelten, der feste Boden unter ihren Füßen war zu ungewohnt, um darauf zu stehen. Und dabei hatte sie nicht ein einziges Bier im Festzelt getrunken. Der Wachtmeister, der einsah, dass hier Hilfe Not tat, hob die Dame von der Plattform und stellte sie neben ihrem Gatten ab.

"Nun gehen Sie aber, morgen ist ja auch noch ein Tag."

Das Männchen bedankte sich artig mit leiser Stimme. Seine Frau lehnte an seiner Schulter, ihr Gesicht hatte eine ungesunde Farbe angenommen und sie gab würgende Geräusche von sich.

"Wohl ein bisschen zu viel Bier getrunken, was?" Fragte der Wachtmeister, der nicht lange genug anwesend gewesen war, um die wahren Gründe zu kennen. Das Männchen schüttelte den Kopf, sodass auch sein ganzer Körper wackelte.

"Nein, sie", weiter kam das Männchen nicht, denn das Wackeln war dem Magen der Dame nicht zuträglich. Mit einem Stöhnen stolperte sie vor und dekorierte die Füße des kaiserlichen Standbildes mit den Überresten der Rossbratwurst, die sie zum Mittagessen verzehrt hatte.

"Das ist Majestätsbeleidung!" Schrie der Wachtmeister. Und er zerrte die Dame vom Festplatz zu dem Gefährt, mit dem er nicht mehr gehfähige Zechkumpane in die Ausnüchterungszelle zu kutschieren pflegte. Das Männchen trottete mit unglücklichem Gesicht hinterdrein. 'Ach Frau', dachte es, in was für eine Lage hast du mich da wieder gebracht?'

Und so kam es, dass fortan die Gefangenentransporte einen neuen Namen bekamen, der sich von dem der Dame und ihrem Übel ableiteten. Was ist hier wohl gemeint?

 

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