Als ich die Insel erreiche, ist es schon fast Abend. Am Horizont geht die Sonne unter, der Himmel ist rot gefärbt. Wäre ich einer unserer Texte für Reiseprospekte würde ich jetzt schreiben wenn sie gleich eintaucht ins Meer, dann zischt es.


Zum Kotzen romantisch.Aber auf sowas stehen unsere Kunden ja. Die Fähre passiert einen Strand, an dem sich die Badegäste gerade auf den Heimweg machen. Anstatt die kostenpflichtigen Zusatzangebote wie Drinks am Pool, Kinderbetreuung, Friseur und Kosmetik wahrzunehmen, haben sie den ganzen Tag für umsonst in der Sonne gelegen.


Das muss sich ändern und ich bin gekommen um zu sehen, wie ich die Welt wieder in Ordnung bringen kann. Es muss doch einen Weg geben, Profit aus diesem Ereignis zu schlagen.


Mein Blick schweift weiter über die Insel. Natur, nichts als Natur. Nicht ein einziges modernes Betonklotzhotel weit und  breit. Ich kann es nicht fassen.


Die bauen sich aus den in Rekorgeschwindigkeit nachwachsenden Bäumen einfach Hütten. Primitiv, ohne Klo, geschweige denn Badewanne. Gepiunkelt wird auf gemeinschaftlich erbauten Donnerbalken und gewaschen im Meer. Anscheinend ist sogar alle Scham verloren gegangen, es stört nicht einmal, dass ich einem der Gäste bei seinem Geschäft zusehen kann, der winkt mir sogar noch freundlich zurück, als ich versuche, ihn darauf aufmerksam zu machen.


Die Fähre legt am einzigen Landungssteg an, Hafen kann man das gar nicht nennen. Ein von vielen Füßen ausgetretener Pfad führt in den Wald, der an dieser Stelle das Ufer säumt. Ich komme an Hütten vorbei, vor denen Menschen am Lagerfeuer hocken und sich selbst ihr Abendessen aus den Pflanzen der Insel zubereiten. Ein Paradies für Veganer. Aber irgendwas scheint mit ihren Geschmacksknospen nicht zu stimmen.


Ich pflücke eine Frucht, die aussieht, wie eine Banane. Doch als ich hineinbeiße, ist sie völlig geschmacklos. OK, als erstes werde ich einen Imbisswagen bestellen, um die Gäste auf andere Gedabken zu bringen. Wenn sie erst mal wieder eine schöne Currywurst und ein kühles Bier genossen haben, werden sie schon zu Verstand kommen. Dann können die anderen Annehmlichkeiten eine nach der anderen folgen.


Bei der nächsten Hütte wird man auf mich aufmerksam. Man winkt und ruft mir zu, ich sei zum Abendessen eingeladen und dürfe auch gerne bei ihnen übernachten, bis ich mir morgen bei Tageslicht meine eigene Hütte bauen kann.


Voll Vorfreude auf meine kommenden Aufgaben zur Rettung dieser armen Irren und ihrer Kumpel überall auf der Insel nehme ich das Angebot dankend an. Vor morgen fährt keine Fähre mehr zurück in die normale Welt.


Ich schnuppere neugierig an der Kokosnussschale, die mir meine Gastgeber mit Eintopf gefüllt reichen. Keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber das Essen ist genau so geruch- wie die Banane geschmacklos. Vorsichtig tauche ich den holzgeschnitzten Löffel hinein. Als ich ihn herausziehe, hängen auf beiden Seiten die Blätter einer Pflanze herunter, die ich noch nie gesehen habe.


Misstrauisch sehe ich sie mir genauer an. Meine Gatgeber lachen freundlich. Ja, so sei es bisher allen gegangen, die neu auf die Insel kamen. Ich solle ruhig probieren, sie könnten mir garantieren, dass ich noch nie etwas so leckeres gegessen hätte.


Vorsichtig beiße ich ein Stück von einem dieser Blätter ab und kaue. Meine Gastgeber haben Recht. Es schmeckt wie – Currywurst, genau wie Currywurst. Ich schaufele eine großen Bissen hinterher und - man glaubt es kaum, obwohl der Eintopf gerade noch über dem Feuer hing, rinnt es mir kühl die Kehle herunter und schmeckt wie das Bier meiner Lieblingsmarke.


„Haben Sie das Geheimnis erkannt? Diese Pflanze nimmt immer den Geschmack des Lieblingsessens der Person an, die sie isst.“


Ich löffele die Schale bis auf den letzten Tropfen leer. Die letzten Bissen schmecken nach meinem Lieblingsnachtisch Schokoladenpudding. Diese Pflanze muss ich unbedingt... ja was muss ich eigentlich eigentlich? Warum bin ich überhaupt hierher gekommen? Egal. Jetzt muss ich erst mal dringend auf den Donnerbalken und morgen nach einem gemütlichen Schlaf baue ich mir meine Hütte gleich auf dem Grundstück neben diesem So schnell kriegt mich hier niemand wider weg.