Wir traten aus dem Supermarkt, und aus dem Augenwinkel sah ich einen großen, schwarzen Hund um die nächste Ecke verschwinden. Schon landete mein linker Fuß in dem, was dieser kurz zuvor an dieser Stelle hinterlassen hatte. Wie viel Pech sollte ich an diesem Tag eigentlich noch haben? Dabei hatte alles so gut angefangen.

Bevor ich die Wohnung verließ, prüfte ich noch einmal, ob wirklich alles an seinem Platz war. Der Gürtel lag eng um meine Mitte, er sah täuschend echt aus. Ich war richtig stolz auf meine Bastelarbeit, von weitem würde ihn sicher nicht einmal ein Sprengstoffexperte als Attrappe erkennen. Das Elektrokabel war feinsäuberlich an meinem Hemd festgenäht, verschwand im rechten Ärmel und endete in der Fernbedienung für das Modellflugzeug meines Sohnes, perfekt.

Auf dem Weg zur Tür nahm ich den Motorradhelm von der Hutablage und warf einen letzten prüfenden Blick auf das Visier, das ich ausgetauscht hatte. Von außen ein Spiegel, von innen durchsichtig. Wenn man in meinem Beruf erfolgreich sein will, dann muss man erfinderisch sein. Zufrieden steckte ich den Helm in die große Reisetasche, mit der ich jede Woche meine schmutzige Kleidung in den Waschsalon trug, ich wollte ja kein Aufsehen erregen. Fröhlich pfeifend machte ich mich auf den Weg.

„Guten Tag, Herr Wegner! Mal wieder große Wäsche?“

Freundlich lächelte ich meine neugierige Nachbarin an. Jetzt hatte sie sicher wieder einen Auftrag für mich. Und richtig.

„Ach, Herr Wegner, mir ist die Sahne sauer geworden, und heute Nachmittag kommt Besuch. Könnten Sie nicht auf dem Rückweg noch schnell in den Supermarkt springen und mir zwei große Becher mitbringen?“

Auf dem Rückweg? Da würde ich es eilig haben, aber das konnte ich ihr schlecht sagen. Also nickte ich freundlich und ging meiner Wege. Mein Ziel war nur zwei Straßen weiter, gleich gegenüber vom Waschsalon. Um diese Zeit war in der Sparkassenfiliale nicht viel los. Die Kassierer unterhielten sich, machten Schreibarbeiten und warteten auf die Mittagspause. Die Einfahrt zu einer Tiefgarage daneben war der geeignete Ort, um meine Maskierung zu vervollständigen. Der ausgepolsterte Trenchcoat und die Schlabberhose täuschten eine ganz neue Körperfülle vor, und der Helm verbarg mein Gesicht vollständig. Ich griff nach der nun leeren Reisetasche und ging an die Arbeit.

Was soll ich sagen? Ich liebe kooperative Kassierer. Ein Blick auf meinen Bauchschmuck reichte diesem Exemplar, um sofort alle verfügbaren Barmittel zusammenzupacken. Ich verbeugte mich leicht und stottere kunstvoll ‚Vihihihihilen Dank’, dann verließ ich den Schalterraum. Natürlich hatte er inzwischen den Alarmknopf gedrückt, aber das stört mich nicht weiter. Bevor die ersten Polizisten auftauchten, war ich wieder in meine Tiefgarageneinfahrt geschlüpft, so nahe am Tatort würde mich so schnell niemand suchen. Durch die Nottür gelangte ich ins Innere, zog Trenchcoat und Schlabberhose aus, riss die Bombenahtrappe vom Hemd und stopfte alles in den Motorradhelm, den ich unter ein Auto schob. Das Geld aus der Reisetasche wanderte in einen mitgebrachten Stoffrucksack. Dann nahm ich den Aufzug ins Erdgeschoss und spazierte gemütlich hinaus auf den Platz, wo gerade die ersten Streifenwagen hielten. Schon sah ich die Schlagzeilen der morgigen Tageszeitungen vor mir – ‚Der höfliche Bankräuber schlägt wieder zu’. Ich konnte wirklich stolz auf mich sein.

Nun musste ich nur noch die Schlagsahne besorgen. Der Supermarkt ist gleich bei der Bank um die Ecke. Wenn ich sowieso schon da war, konnte ich für mich gleich auch noch ein paar Dinge besorgen. Vielleicht hätte ich doch lieber einen Einkaufswagen nehmen sollen? In einem Pappkarton stapelte ich die Sahne, Fertiggerichte, Joghurts, Bananen und einen Sixpack Bier. Ach ja, das Rasierwasser war ja auch alle. Aber wohin damit? Ohne Nachzudenken steckte ich das Päckchen in die Tasche meiner dünnen Jacke und eilte zur Kasse.

Sechs Euro fünfundsiebzig, da war ich ja noch günstig davongekommen. Einen Moment wunderte ich mich, aber warum sollte ich mich beschweren?

„Hausdetektiv. Könnten Sie mir bitte mal zeigen, was Sie in Ihrer Jackentasche haben?“

Das verdammte Rasierwasser. Mir wurden die Knie weich. Warum passieren solche Sachen eigentlich immer mir? Neun Jahre lang hatte ich ehrlich von den Früchten meines letzten großen Coups gelebt. Und jetzt, wo ich ein einziges Mal rückfällig wurde, kriegten sie mich wegen Ladendiebstahls dran?

Seufzend zog ich das Päckchen aus der Jackentasche und fügte mich in das Unvermeidliche. Im Büro des Marktleiters nahm ich den Rucksack mit dem Geld ab und stellte ihn auf den Boden. Ansonsten zeigte ich mich kooperativ, wies mich aus und zeigte mich reuig. Ein dummes Versehen, das war alles. Fast war der Detektiv geneigt, mir zu glauben. Die Polizei musste er natürlich trotzdem rufen, seine Fangprämie, das müsse ich verstehen, er müsse ja auch leben. Aber wenn ich mir noch nie etwas habe zuschulden habe kommen lassen, würde es für mich schon nicht so schlimm werden. Ich nickte mit gesenktem Kopf.

Endlich waren die polizeilichen Formalitäten erledigt, und ich durfte Nachhause gehen. Mit zerknirschtem Gesichtsausdruck griff ich meinen Rucksack an den Trägern, und hörte den Stoff reißen. Die neun Jahre Pause hatten meinem zuverlässigen Begleiter aus alten Zeiten wohl nicht gut getan. Vor den Augen der erstaunten Polizisten quollen die Bündel mit Banknoten aus dem Loch, das nun immer weiter aufriss. Ich war erledigt.

Wenig später wurde ich von zwei Streifenbeamten abgeführt. Den glücklichen war gelungen, was Kriminalbeamte in ganz Norddeutschland während meiner mehr als zwanzigjährigen Karriere nicht geschafft hatten, der höfliche Bankräuber war ins Netz gegangen. Wir traten aus dem Supermarkt, und aus dem Augenwinkel sah ich einen großen, schwarzen Hund um die nächste Ecke verschwinden. Schon landete mein linker Fuß in dem, was dieser kurz zuvor an dieser Stelle hinterlassen hatte. Wie viel Pech sollte ich an diesem Tag eigentlich noch haben?

 

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