Als es nachts um halb drei an meiner Tür klingelte, dachte ich zunächst an einen schlechten Traum. Welcher rücksichtslose Mensch käme denn um diese Zeit auf die Idee, irgendjemanden aus dem Bett zu holen? Noch dazu in einer so einsamen Gegend, in der die nächsten Nachbarn kilometerweit entfernt und die einzige Anfahrtsmöglichkeit ein holpriger Feldweg waren. Verärgert wollte ich mich gerade wieder umdrehen, da klingelte es wieder, diesmal lang anhaltend und aufdringlich. So ergab ich mich denn in mein Schicksal und schlurfte zur Tür. Zu meinem Erstaunen war es draußen gleißend hell, so daß ich zunächst gar nicht viel mehr erkennen konnte, als einen kleinen Schatten, der mir höchstens bis zum Bauchnabel reichte. Ich kam gar nicht erst dazu, meiner Wut Luft zu machen, da legte der unbekannte auch schon los.

"Verehrter Einheimischer! Ich komme hier vorbei mit einem Bus voller hungriger Touristen, und was sehe ich? In Ihrem Garten wächst zuhauf das, was wir alle am liebsten essen. Was würde es kosten, wenn wir hier zu zehnt dinieren?"

Ich starrte ihn ungläubig an. Seit dem Tod meiner Frau wuchs im Garten nichts als Unkraut. Ich hatte mir nie viel aus Gartenarbeit gemacht.

"Also, wenn Sie unbedingt wollen, dann bedienen Sie sich, das ist alles kostenlos zu haben. Aber seien Sie bitte leise, ich bin müde und muß morgen wieder früh raus."

Der kleine quietschte vor Vergnügen.

"Oh was sind sie doch für ein großzügiges Wesen! Man stelle sich vor, ein Festmahl für zehn und das ganz umsonst! Das werde ich meinem Reiseunternehmen mitteilen, hier sollte jeder Bus eine Zwischenstation einlegen."

Mich packte das blanke Entsetzen.

"Das können Sie mir doch nicht antun! Himmel, sehen Sie doch mal auf die Uhr, es ist mitten in der Nacht! Holen Sie jetzt Ihre Leute, pflücken Sie was Sie brauchen und machen Sie, daß sie wieder wegkommen. Sie sind ja verrückt!"

Der Kleine verbeugte sich artig, zog aus den Falten seines Umhangs einen kleinen Apparat hervor und sprach ein paar Worte in einer für mich unverständlichen Sprache hinein. Wenige Minuten später wimmelte es vor meinem Haus von kleinen Leuten, die sich in ihrer Begeisterung förmlich überschlugen. Einige wollten sich schon aus der Gruppe in den Garten davonschleichen, aber ein Zuruf des Reiseleiters hielt sie zurück.

"Sagen Sie, was ist denn hier in dieser Region eine besondere Spezialität? Ich möchte den Leuten doch etwas bieten."

Er mußte komplett den Verstand verloren haben. Ich murmelte etwas von wildem Löwenzahn und getrockneten Brennesseln und meinte, vielleicht könnten sie im hinteren Beet auch noch ein paar vergammelte Rüben finden. Er starrte mich nur ungläubig an.

"Da haben Sie solche Köstlichkeiten in Ihrem Garten und ernähren sich von Treibstoff?"

"HÄ?"

Er schüttelte den Kopf, dann rief er seinen Leuten zu, sie sollten sich nehmen, so viel sie wollten, es würde wohl keiner merken. Inzwischen war meine Müdigkeit völlig verflogen und ich war neugierig, was diese merkwürdigen Touristen - wo sie wohl herkamen - denn nun so besonders gerne essen mochten. Also folgte ich ihnen leise.

Niemand kann sich mein Erstaunen vorstellen, als ich einen von ihnen beim Anknabbern meiner Gartenmauer entdeckte. Zugegeben, sie war mit Moos bewachsen und vielleicht war es ja das, was diese Leute wollten, aber aus dem Knirschen seiner Zähne schloß ich messerscharf, daß er eindeutig die Steine selbst verzehrte. Hatte ich es hier wirklich mit einem Haufen Irrer zu tun?

Die anderen benahmen sich auch nicht besser, einige wühlten zwischen dem Unkraut und förderten einen Stein nach dem anderen zutage und bei jedem brachen sie in laute Jubelrufe aus.

Das ging so über eine Stunde. Längst hatte ich mein Bett und meine Müdigkeit vergessen. Was hier geschah war so außergewöhnlich, daß ich keinen Moment davon verpassen wollte. Schließlich waren sie anscheinend alle satt. Einige stopften sich die Taschen ihrer Umhänge noch mit weiterem Reiseproviant voll, dann sammelten sie sich nach und nach wieder um ihren Reiseleiter.

"Ich weiß nicht wie ich Ihnen danken soll." Sagte er. "Wir sind jetzt durch zwölf Galaxien gereist, aber nirgends haben wir ein solches Festmahl serviert bekommen."

Er schlug die Kapuze seines Umhangs ein wenig zurück und ich konnte nun endlich sein Gesicht sehen, das nichts mit dem eines Menschen gemein hatte. Beherrscht wurde es von einem riesigen Mund mit großen Mahlzähnen, über dem ein einziges Auge thronte. Aber dieses Auge strahlte eine solche Wärme und Dankbarkeit aus, wie ich sie noch bei keinem Menschen mit zwei Augen erlebt hatte.

Spontan streckte ich ihm die Hand hin und er griff danach mit einer Klaue, die eine entfernte Ähnlichkeit mit der eines Vogels hatte.

"Wenn ich Ihnen schon nichts bezahlen darf, so lassen Sie mich Ihnen doch wenigstens als Andenken an diesen Abend ein Souvenir von meinem Heimatplaneten geben. Wir haben mehr als genug davon."

Mit diesen Worten drückte er mir einen großen Goldklumpen in die Hand. Während ich noch ungläubig darauf starrte, machten sich die Wesen auf den Rückweg zu ihrem Weltraumbus. Ich lief hinterher, konnte sie aber nicht mehr einholen. Als ich nur noch wenige Meter von ihrem ungewöhnlichen Gefährt entfernt war, erhob es sich in die Lüfte. Ich winkte ihm noch nach, als schon längst nichts mehr von seinen Lichtern zu sehen war.

 

 

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