"Sie Vollidiotin, Sie unvergleichliches Spatzenhirn, Sie, ach da fehlen mir doch die Worte. Wie kann man nur so vollkommen verblödet sein?"

'Zähl ganz langsam bis zehn', dachte ich. 'Eins, zwei, drei...'

"Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, die Akte Meyer-Graf gehört unter M wie Meyer? Heißt der Kunde vielleicht Graf-Meyer? Halten Sie ihn vielleicht für einen Adeligen? Zu viele Fürstenzeitungen gelesen, was?"

'Vier, fünf, sechs...', es half nichts.

"Wie soll man denn in diesem Saustall etwas finden, wenn man nur von Gehirnamputierten umgeben ist, die nicht einmal das ABC können!"

'Sieben, acht' und dann geschah es. Als erstes platzte der Büstenhalter, dann sprangen die Knöpfe von meiner Bluse. Die Brille flog mir aus dem Gesicht, das jetzt so breit war, dass die Bügel nicht mehr bis zu den Ohren reichten. Ich hatte mich mitten am Tag in die unglaubliche Wally verwandelt, und das auch noch während der Arbeitszeit.

"AAAAAAA", fauchte ich in den Telefonhörer.

"Was denn? Sie haben auch noch Widerworte?"

Ich griff nach dem Papiermesser, mit dem Doktor Doktor Wilke seine Post feinsäuberlich geöffnet haben wollte. "BBBBBBB", blubberte ich.

"Stottern sie nicht rum, antworten Sie gefälligst vernünftig, wenn ich Ihnen eine Frage stelle."

"CCCCCCC", zischte ich nun, während die Nähte meiner Hose platzten, weil sich die Muskeln an meinen Beinen ihren Weg suchten. Noch hatte ich das Messer nicht sicher genug im Griff, für solche feinen Gegenstände eigneten sich meine neuen Monsterklauen nicht.

"Kommen Sie sofort in mein Büro!"

Während ich die hochhackigen Pumps von meinen großen Zehen schüttelte - für meine Füße waren sie nun etwas fünf Nummern zu klein - "DDDDDDD"röhnte ich ein letztes Mal in den Telefonhörer, bevor ich ihn zurück auf die Gabel warf. Er hatte es ja nicht anders gewollt.

Das Papiermesser in der Hand watschelte ich aus meinem Büro auf den Flur. Im Vorbeigehen versetzte ich dem Getränkeautomaten einen Tritt, ich musste meine Superkräfte nutzen, solange ich sie hatte. Und dieses Miststück hatte am Morgen schon wieder ohne Gegenleistung mein ganzes Kleingeld geschluckt.

"EEEEEEE", quiekte ich, während eine Coladose nach der anderen über den Flur hüpfte. Dann tappte ich weiter den Gang entlang zum Chefzimmer, das Papiermesser einsatzbereit in der Hand.

"Sie unfähiges Risenrhinozeros, Sie Armleuchter, Sie Dämelack".

"FFFFFFF", machte ich, als ich vor dem Allerheiligsten stoppte. Hatte der Doppeldoktor etwa noch gar nicht bemerkt, dass längst niemand mehr am anderen Ende der Leitung war?

"Aber mein verehrtester Meyer-Graf, das ist doch alles nur ein Missverständnis. Die Ware ist schon am vorletzten Freitag abgeschickt worden."

"GGGGGGG", kicherte ich vor mich hin. Das wusste ich besser. Und der Doppeldoktor wusste, dass ich es wusste. Hätte ich ihn am Vortag nicht an die Bestellung erinnert, könnte der Hauptkunde unserer Firma auf die Ware warten, bis er schwarz wurde. Wehe, wenn der Big Boss davon Wind bekam.

"Wer ist Ihr Vorgesetzter?", hörte ich Meyer-Graf jetzt toben. "Ich werde mich beschweren. Ich werde meinen Auftrag zurückziehen."

"HHHHHHH", seufzte ich ein wenig enttäuscht, während ich meine leicht verrutschte Kleidung ordnete. Ein Blick in den Spiegel neben der Bürotür zeigte mir, dass die unglaubliche Wally sich wieder in Waltraud die untadelige Chefsekretärin zurückverwandelt hatte. Bedauernd sah ich auf das Papiermesser in meiner Hand. Eigentlich hatte mir der Gedanke an einen Meuchelmord ja ganz gut gefallen, aber letztenendes lag das nun doch nicht in meiner Natur. Ich klopfte an der Bürotür und trat ein.

"IIIIIII", stotterte nun Doktor Doktor Wilke und suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

"Entschuldigen Sie, Herr Doktor", säuselte ich. "Die Spedition hat gerade angerufen, die Lieferung für Herrn Meyer-Graf wurde bei ihnen verschlampt. Sie haben die Ware erst gestern verschickt."

Der Doppeldoktor sah mich ungläubig und dankbar an. Meyer Grafs Gesichtsfarbe wechselte von puterrot zu einem gesunderen, rosigen Ton.

"JJJJJJJa wo gibt es denn so etwas?", stotterte mein Chef. "Da muss ich Ihnen sofort einen Beschwerdebrief diktieren."

Meyer-Graf verabschiedete sich freundlich, nachdem ihm Doktor Wilke zur Entschädigung eine ganze Palette des teuersten Toilettenpapiers aus unserem Programm kostenlos versprochen hatte. Aufatmend lehnte sich der Doppeldoktor in seinem Chefsessel zurück.

"Ach Waltraud, was hätte ich nur ohne Sie getan? Gibt es irgendetwas, womit ich meinen Ausbruch von vorhin wieder gutmachen kann?"

Fast war ich versucht, "KKKKKKKeine Ursache" zu sagen, doch dann kam mir das doch übertrieben vor.

"Wie wäre es mit einer Gehaltserhöhung? Ich verspreche Ihnen auch, dass der Big Boss nie etwas von dieser Unterredung erfährt." 

 

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